"Schmerzhaftes Thema": Viele Kindergarten-Pädagog*innen beobachten unangemessenes Verhalten von Kolleg*innen gegenüber Kindern - aber greifen nicht ein

Admin User
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Ein Collage-Bild, das Kinder zeigt, einer hält Spielzeug, im Hintergrund sind Einkaufswagen zu sehen und Text unten.

"Schmerzhaftes Thema": Viele Kindergarten-Pädagog*innen beobachten unangemessenes Verhalten von Kolleg*innen gegenüber Kindern - aber greifen nicht ein

"Ein schmerzhaftes Thema": Viele Kita-Fachkräfte beobachten unangemessenes Verhalten von Kollegen gegenüber Kindern – greifen aber nicht ein

GÜTERSLOH. Unangemessenes Verhalten von Mitarbeitenden gegenüber Kindern wird in Kindertageseinrichtungen offenbar weit häufiger beobachtet, als in der Öffentlichkeit bekannt ist.

Eine aktuelle Studie deckt gravierende Mängel beim Kinderschutz in Kitas bundesweit auf. Mehr als ein Viertel der Erzieher:innen und Leitungen gibt an, regelmäßig Situationen zu erleben, in denen sie eingreifen müssten, um ein Kind vor unangemessenem Verhalten von Kollegen zu schützen. Doch trotz dieser Beobachtungen zögern viele, zu handeln – aus Unsicherheit, Konfliktangst oder strukturellen Hindernissen.

Die Ergebnisse zeigen Lücken in der Teamarbeit, Führungskultur und klaren Richtlinien – allesamt entscheidend für den Schutz von Kindern in Betreuungseinrichtungen.

Für die Untersuchung wurden Fachkräfte und Leitungen in Kitas befragt, wobei besorgniserregende Muster zutage traten: Über 25 Prozent der Befragten berichten, fast täglich oder sogar ständig in Situationen zu geraten, in denen sie handeln müssten. Ein weiteres Drittel beobachtet solche Vorfälle seltener, aber dennoch regelmäßig. Diese Erfahrungen belasten 69 Prozent der Mitarbeitenden stark oder zumindest in gewissem Maße – sie fühlen sich mit der Verantwortung für den Kinderschutz überfordert.

Ein zentrales Problem ist das Fehlen einer gemeinsamen Vorstellung davon, was als angemessenes Verhalten gilt. Nur sechs Prozent der Einrichtungen gaben an, dass in ihren Teams keine unterschiedlichen Auffassungen dazu bestünden. Ohne klare Definitionen bleibt es dem subjektiven Urteil überlassen, was als grenzüberschreitend einzustufen ist – was wiederum zu Zögerlichkeit führt. Die Studie definiert nicht konkret, was unter „unangemessenem“ oder „schädigendem“ Verhalten zu verstehen ist, sondern überlässt die Bewertung den Einzelnen.

Selbst wenn Fachkräfte das Bedürfnis verspüren, einzugreifen, halten viele sich zurück. Die häufigsten Gründe sind Unsicherheit bei der Einschätzung der Situation und die Angst vor Konflikten im Team oder mit der Leitung. Andere fürchten Loyalitätskonflikte, sozialen Ausschluss oder strukturelle Hürden wie Zeitdruck und Personalmangel. Zwar ist eine ausreichende Personalausstattung grundlegend für eine kindgerechte Betreuung – die Studie betont jedoch, dass auch Teamarbeit und Führungskultur dringend verbessert werden müssen, um die Sicherheit der Kinder zu gewährleisten.

Fachverbände der Frühpädagogik reagieren mit Forderungen nach konsequenterem Handeln. Sie verlangen, den Kindeswohlvorrang zu stärken, hochwertige Bildung zu garantieren und Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Wohl der Kinder tatsächlich fördern. Organisationen wie der Deutsche Kitaverband, die Kinderschutz-Zentren, ECPAT Deutschland und die Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz setzen sich zwar für Kindersicherheit ein, stehen jedoch in keinem direkten Zusammenhang mit den Studienergebnissen.

Die Forschung identifiziert auch Schutzfaktoren, die Fehlverhalten reduzieren könnten – etwa eine respektvolle Kommunikation, regelmäßiges Feedback und eine Führung, die Bedenken ernst nimmt. Doch diese Elemente sind in vielen Einrichtungen noch unzureichend ausgeprägt, was Lücken im Kinderschutz hinterlässt.

Die Studie legt gravierende Defizite in Kitas offen: Fachkräfte beobachten zwar problematisches Verhalten, scheuen sich aber oft, einzuschreiten. Fehlen klare Leitlinien, starke Führung oder ein einheitliches Kinderschutzkonzept, bleiben die Risiken bestehen. Berufsverbände drängen weiterhin auf Reformen, um sichere und unterstützende Umfelder für Kinder zu schaffen.

Die Ergebnisse sind ein Weckruf: Es braucht bessere Fortbildungen, eine gestärkte Teamkultur und verbindliche Standards – damit Erzieher:innen handlungsfähig sind, wenn das Wohl von Kindern auf dem Spiel steht.